Gegenwärtige Rockabilly-Musik: Richtungen und ihre Bands

Heute wie auch damals ist Rockabilly nicht gleich Rockabilly. Die Musikszene unterteilt sich in verschiedene Richtungen, die das musikalische Erbe unterschiedlich interpretieren oder auch Einflüsse aus anderen musikalischen Genres übernommen haben. Neben der “klassischen” Neo-Rockabilly-Musik, die sich eher streng an den musikalischen Wurzeln orientiert und mit typischen Instrumenten und Melodien der 50er Jahre arbeitet, gibt es jüngere Variationen des Rockabilly, in die Stilelemente aus benachbarten Musikrichtungen einfließen. Besonders populär sind Verknüpfungen von Rockabilly mit Punk, Rock und Gothic.

Punkabilly, Psychobilly oder auch Horrorbilly

Die Unterart des Psychobilly entstand in den 1980ern aus der Verbindung des Rockabilly mit der Punk-Musik und spaltete sich im Laufe ihrer Entwicklung wiederum weiter in unterschiedliche Richtungen wie dem Punkabilly und dem Old School Psychobilly auf. Psychobilly-Musik ist wesentlich härter, energischer und aggressiver als der traditionelle Rockabilly. Bands wie The Meteors oder Ramones prägten den Psychobilly-Stil maßgeblich. Zunächst verbreitete sich die Subkultur auf dem britischen Festland und kam dann auch nach Frankreich, Belgien, in die Niederlande und Deutschland.

Der Begriff des Psychobilly geht ursprünglich auf ein Lied von Johnny Cash zurück. Darin besingt Cash einen aus verschiedenen Autoteilen zusammengewürfelten „Psychobilly Cadillac“. Die Bezeichnung „Horrorbilly“ leitet sich hingegen von der Verwendung alter Horror-Film-Themen der 50er Jahre ab. Einige Bands nahmen die schaurig, düstere Melodien und Motive der Filmmusik in ihre Songs mit auf.

Typisch für die Psychobilly- und auch Horrorbilly-Fans ist der Flattop. Diese sogenannte Bürstenfrisur hat ihren Ursprung in den Frisuren der US-Army. Hierbei werden die Haare am Hinterkopf und an den Seiten kurzrasiert, sodass nur das Deckhaar als ebene, zum Hinterkopf abfallende Fläche (flat) nach oben (top) steht. Heute wird die Frisur von Psychobilly-Männern oft relativ schmal getragen und ähnelt dann einem Irokesenschnitt.

Wie auch andere Rockabilly-Subkulturen verwenden Psychobillies (kurz „Psychos“) häufig musikalische Motive auf Kleidung, bei Accessoires oder Tätowierungen. Hier kommt vor allem der Kontrabass häufig zum Einsatz. Außerdem gefallen vielen Anhängern morbide Symbole wie Gräber, Särge, Grabsteine und Kreuze, die oftmals mit Totenschädeln/Skulls oder Dämonen kombiniert werden.

Der Psychobilly ist sehr eng mit dem Genre des Neo-Rockabilly verbunden. Teilweise werden die Termini auch synonym verwendet.

Liste Psychobilly-Bands

  • Batmobile
  • Frenzy
  • Mad Sin
  • The Monsters
  • The Waltons
  • The Meteors
  • Demented are go
  • Nekromantix
  • The Creepshow
  • Tiger Army
  • Guana Batz
  • Frantic Flinstones
  • King Kurt
  • The Quakes
  • Bloodsucking Zombies From Outer Space

Beim Punkabilly werden im Gegensatz zur „herkömmlicheren“ Punkmusik nicht nur Gitarrenakkorde im Rhythmus gespielt. Das Instrument erhält in den Songs meist eigene Soloparts. Und auch das Schlagzeug orientiert sich bei der Musik eher am Rockabilly-Stil als am Punk. Eine besondere Bedeutung kommt hier, wie überall im Punkabilly- und Psychobilly-Subgenre, dem Kontrabass zu. Mit der Slap-Technik, dem Schlagen der Kontrabass-Saiten, bekommt die Musik ihre typische Rockabilly-Akustik.

Liste Punkabilly Bands

  • The Peacocks
  • Heartbreak Engines
  • The Living End
  • Sewer Rats
  • Mad Sin
  • Shark Soup
  • Barnyard Ballers
  • The Cramps
  • Thee Flanders Gangnails
  • Godless Wicked Creeps
  • Horrorpops
  • Kings of Nuthin’
  • Nekromantix
  • Bloodsucking Zombies From Outer Space

Neo-Rockabilly

Die Verbreitung des Neo-Rockabilly startete Ende der 1970er Jahre. Einerseits kann der Terminus Neo-Rockabilly schlichtweg das Wiederaufflammen der Begeisterung für die ursprüngliche Rockabilly-Musik bezeichnen, andererseits bezieht er sich auf die Entwicklung einer neuen Szene, die sich auch musikalisch weiterentwickelte und so von den Hits der 50er abhob. Zwar ist der Neo-Rockabilly in dieser Lesart seit seinen Anfängen geprägt von Cover-Versionen der originalen Songs, doch die neuen Sänger und Bands variierten und interpretierten die Lieder häufig auf ihre eigene Art und komponierten in der Tradition ihrer Idole, wie Eddie Cochrane oder Gene Vincent, neue Songs. Der us-amerikanische Singer/Songwriter Robert Gorden, der den Stil des Neo-Rockabilly in den 70er und 80er Jahren maßgeblich prägte, beschrieb in einem Interview seine Spielweise mit den Worten: „Eigentlich versuche ich immer, die Songs noch eine Spur härter zu inszenieren als im Original.“

Neben Robert Gordon hat die Szene vor allem Bands wie The Polecats (UK), Stray Cats (US) und Matchbox (UK) das Revival der Rockabilly-Musik zu verdanken. Matchbox zum Beispiel spielte eine große Rolle bei der Verbreitung des Neo-Rockabilly in Deutschland.

Der Begriff Neo-Rockabilly wird teilweise auch für ein jüngeres musikalisches Subgenre verwendet, dass sich ab den 1990er Jahren entwickelte. Dazu werden Bands wie Kings of Leon oder die White Stripes gezählt. Musikalisch können die Bands zwar nicht direkt dem Rockabilly-Stil zugeordnet werden, wurden jedoch vom Rock’n’Roll der 60er Jahre beeinflusst. Auch Sänger wie Bruno Mars, in deren Liedern Elemente des originalen Rhythm and Blues auftauchen, werden in diesem Verständnis auch zum Neo-Rockabilly gezählt.

Liste Neo-Rockabilly Bands

  • Stray Cats und Ace cats
  • Hillbilly Casino, USA
  • Cousin Harley, Canada
  • John Lindberg Trio, Schweden
  • Lee Rocker Band, USA
  • Blue Cats, UK
  • Polecats, UK
  • Restless, UK
  • The Rapids, UK
  • The Deltas, UK
  • Tin Cans, Deutschland
  • The Rockats, UK
  • The Nitros, UK
  • Colbert Hamilton (auch „The black Elvis“ genannt), UK
  • Levi Dexter, UK
  • Taggy Tones, Dänemark
  • Magic, Japan
  • Dick Brave, Deutschland

Gothabilly

Gothabilly (teilweise auch “Hellbilly”) zeichnet sich durch die Verbindung von Elementen aus der Gothic- und der Rockabilly-Szene. Sowohl in der Musik als auch in der Mode spiegelt sich die Kombination dieser beiden Subkulturen wider.

Schon in den 60er Jahren legte der Psychobilly-Musiker Screaming Lord Sutch den Grundstein für den Gothabilly, indem er in seinen meist psychodelischen Songs auf schwarzen Humor und Horror-Elemente zurückgriff. Den Begriff Gothabilly prägte laut Wikipedia in den 1970er Jahren jedoch erst die Band The Cramps, die damit ihren eigenen musikalischen Stil beschrieb und so den Weg für ein neues Subgenre ebnete. Anfangs verbreitete sich der Gothabilly vor allem in den westlichen Staaten der USA (v. a. Kalifornien). Später schwappte die Welle jedoch auch in andere Regionen Amerikas sowie nach Europa über.

Typisch für den Gothabilly-Stil sind Motive aus Horror und Science-Fiction. Nicht selten dienen Splatter-Elemente zur Ausschmückung von Songtexten und Melodien. Auch mit Blick auf die Mode der Gothabilly-Fans lassen sich die Symbolik finden. Häufig verwendete Motive für Kleidung, Accessoires oder Körperschmuck sind Totenköpfe, Gräber sowie Monster. Aber auch die klassische Rockabilly-Ästhetik mit Flammen, Oldtimern sowie Gambling- und Seefahrermotiven ist bei den Gothabillies beliebt. Materialien und Schnitte der Gothabilly-Kleidung orientieren sich aber auch häufig an der Gothic-Mode und so finden sich ebenfalls Lederhosen, Korsagen und Lackstiefel im Kleiderschrank einiger Gothabillies.

Eng verwandt ist der Gothabilly nicht nur mit dem Psychobilly, sondern auch mit Gothic-Punk und Gothic-Rock. Wie überall bei den (musikalischen) Richtungen des Rockabilly sind auch hier die Übergänge zwischen einzelnen Unterarten fließend und meist lassen sich Bands nicht ausschließlich zu einer Gruppe zuordnen. Teilweise wird der Gothabilly auch als Subgenre des Psychobilly beschrieben.

Gothabilly und Psychobilly ähneln sich in ihrer musikalischen Ausrichtung. Beide Stile verwenden häufig einen treibenden Bass und auch die inhaltlichen Elemente der Liedtexte decken sich nicht selten. So dienen Splatter-Filme, Kitsch und morbide Symbolik als Grundlage für Songs aus beiden Genres. Bei Gothabilly kommen außerdem Aspekte des Paranormalen und Romantischen hinzu. Musikalisch bedient sich der Gothabilly auch der Spielweisen und Instrumente anderer Gothic-Richtungen, wie zum Beispiel Orgeln und hallende oder klimpernde Gitarrenbegleitung.

Liste Gothabilly Bands

  • The Coffinshakers
  • Cult of the Psychic Fetus
  • Deadbolt
  • Ghoultown
  • The Hammerdowns
  • Miguel and the Living Dead
  • Mr. Badwrench
  • Psychonauts
  • Tchiki Boum
  • The Undead Syncopators

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *

Du kannst folgende HTML-Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <strike> <strong>

Ja, auch diese Webseite verwendet Cookies. Hier erfahrt ihr alles zum Datenschutz